Was ist das am häufigsten gebrauchte Symbol für „Idee“? Richtig: Die Glühbirne! Dabei gibt es andere Innovationen, die die Menschheitsgeschichte weit mehr beeinflusst haben als Edisons Erfindung. Wie wäre es mit einem Maiskolben als Symbol für Innovation und Ideen? Abwegig? Keineswegs! Ohne die Ernährungs-Innovationen unserer Vorfahren gäbe es keine Kartoffeln, Reis, Mais, Kidney-Bohnen oder Hirse.
Ich schätze das Buch „Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten“ über die Maßen. Geschrieben hat es Neil MacGregor, Leiter des British Museum und er hängt in diesem sehr unterhaltsamen Werk die Menschheitsgeschichte an 100 Ausstellungsstücken seines Hauses auf, die in sehr guten Farbfotografien in je einem Kapitel abgebildet sind.
Wie komme ich gerade auf den Maiskolben als Symbol? Im sechsten und neunten Kapitel beschreibt MacGregor den Moment, an dem die Menschen langsam sesshaft wurden. Vor etwa 10.000 Jahren begann eine Zeit „gerade erst domestizierter Tiere, mächtiger Götter, gefährlichen Wetters guten Sexes und noch besseren Essens“. Nach dem Ende der Eiszeit vor rund 11.000 Jahren begann ein Klimawandel mit weitreichenden Folgen. Als die Menschen begannen, sich über den Globus auszubreiten, mussten sie mit Tieren um die leicht zugänglichen Nahrungsmittel konkurrieren. Wo der Mensch nicht konkurrenzfähig war, musste er schwerer zugängliche Nahrungsmittel genießbar machen. Das Gehirn machte den Menschen fähig, mehrere Schritte vorauszudenken: Nahrungsmittel wurden angebaut, die man nur essen kann, wenn sie eingeweicht, gekocht oder zermalen sind. Man konzentrierte sich auf kleine harte Grassamen, die wir heute Getreide nennen und die in rohem Zustand ungenießbar oder sogar giftig sind. Man muss sie schälen und zu Teig verarbeiten. Riesenknollengewächse wie Jams oder Taro wurden getrocknet, zermahlen und gekocht, ehe sie genießbar waren.
Dieses besondere Kapitel der Menschheitsgeschichte wurde nicht an einem Ort geschrieben, sondern an vielen Orten der Welt gleichzeitig. Im nahen Osten begann man Landwirtschaft mit Frühformen des Weizens, in China mit Wildreis, in Afrika wurde Hirse angebaut und in Papua-Neuguinea Taro, die Wasserbrotwurzel.
Die Ernährungs-Innovation unserer Vorfahren liegt also sowohl in der neuen Auswahl von Lebensmitteln wie damit zusammenhängend ihrer Zubereitung: Unsere Getreide- und Gemüsesorten entstanden durch Auswahl, Hege und Veränderung; Fleisch über Feuer zu braten war schon lange bekannt – doch nun begannen sie zu „kochen“, wie es uns Heutigen wesentlich vertrauter ist.
… ach, ja: Die beiden Ausstellungsstücke, auf die NeilMacGregor Bezug nimmt, sind übrigens ein Steinstößel (als Mahlwerkzeug) aus Papua-Neuguinea und eine Maya-Statue des Maisgottes.